Vita - Klaus Grundmann Dipl.Des.M.F.A.

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Einführung zur Ausstellungseröffnung

HANS BENESCH - SPUREN

Kunstverein Oberer Neckar 20.März - 17.April 2011

Liebe Gäste,
ich habe heute Abend hier im Kunstverein in der schönen Galerie im Kloster sehr gerne die Aufgabe übernommen, den Künstler Hans Benesch, einen Freund, vorzustellen.
Hans Benesch, der in Ebringen bei Freiburg lebt und arbeitet, steht in einem reich gefüllten Künstlerleben. Als ich mit ihm im Februar diesen Jahres einen Rundgang durch sein Atelier und sein Archiv gemacht habe, begegnete ich dem Künstler in seiner ganzen Vielseitigkeit. Die Arbeiten, die heute hier ausgestellt sind, zeigen nur einen Bruchteil von seinem künstlerischen Wirken. Er studierte Kunsterziehung und lehrte u. a. als Dozent an der
Katholischen Fachhochschule in Freiburg. Künstlerisch aktiv ist Hans Benesch seit den sechziger Jahren.

In zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen war er vertreten, die zu nennen hier den Rahmen sprengen würde.
Beim Durchgang seiner Arbeiten wurde mir klar, dass er nicht nur als Maler oder Grafiker sich ausdrücken kann. Installationen, Videokunst und Fotografie sind genauso sein Metier wie der Zeichenstift oder der Pinsel.
Diese Vielfältigkeit im künstlerischen Ausdruck ist es, mit der er immer wieder das geeignete Medium findet, um seine Sicht der Dinge zu vermitteln. Dazu gehören natürlich auch die neuen Medien oder seine Lichtbilder –Luxografien -, mit denen er viel experimentiert hat. Trotz der großen Bandbreite, mit der sich Benesch präsentiert, beherrscht er alle Techniken sicher und perfektioniert sie ständig. Dies lässt seine Arbeiten offen und gegenwärtig erscheinen. Er entwickelt seine künstlerischen und stilistischen Arbeitsmethoden
konsequent fort. Alles läuft parallel und ist im Fluss. Er ist Maler, Grafiker, Fotograph und Bildhauer zur gleichen Zeit. Gerade dies ist ein Merkmal zeitgenössischer Kunst; sie lässt alles offen.
Allen seinen Arbeiten liegt ein Thema zugrunde: „WIR als Menschen in der Gesellschaft“. Was begegnet uns, wenn wir mit offenen Augen und Ohren unsere Umwelt erleben? Wie reagieren wir? Die Auseinandersetzung mit Politik und Gesellschaft, teilweise in Form von Zeitungsausschnitten oder als Bilddokumente und in Form von Malerei und Zeichnung, wie bei den hier ausgestellten großformatigen Bildern, ist ihm wichtig.Hans Benesch sagt selbst, dass in seinen Werken nicht nur das oberflächlich Sichtbare, der Kontrast, die Farbe an sich oder die reine Ästhetik zu finden sind, sondern dass es einen Inhalt, eine Aussage gibt, die den Betrachter zum Innehalten, zum Zweifeln und zum Denken bewegen soll.
Ich werde hier an dieser Stelle an Joseph Beuys erinnert, der mit der gelebten Idee des erweiterten Kunstbegriffes die traditionelle Kunst seinerzeit aus dem Musentempel befreit hat. Kunst zeigt Zustände auf und interpretiert diese. Der Künstler muss diese Zustände durchleben, dann kann er sie auch sichtbar, hörbar oder
auffindbar machen.
Benesch spielt auf vielen künstlerischen Instrumenten; immer wieder gelingt es ihm, neue Wege im Ausdruck zu beschreiten. Er bewegt sich ständig weiter und bleibt so am Puls der Zeit, was in dieser Ausstellung besonders deutlich wird.
Thema bei Benesch ist immer der Mensch und wie er auf seine Umwelt und die Informationsflut reagiert. Blitzschnell müssen wir heute Bilder, Stimmungen und aktuelle Informationen verarbeiten und einordnen. Vieles geht dabei verloren bzw. Bedeutungen von Geschehnissen werden unterschätzt oder falsch verstanden; oft wird allzu Gewöhnliches gar nicht mehr wahrgenommen. Wir sehen, wie bei den Collagen, die hier gezeigt werden,
Zeitungsausschnitte oder Fotografien herausgestellt, übermalt oder ummalt werden. Sie bekommen so eine herausragende Bedeutung und gehen nicht als unwichtig oder nebensächlich im Strom unter. Dem Betrachter kommen Assoziationen von ihm bekannten Bildern oder Textpassagen vor Augen. Diese Wahrnehmung löst zwangsläufig einen
Denkprozess aus. Eigene, nicht reflektierte Sichtweisen werden so in Frage gestellt und neue Zusammenhänge aufgezeigt.
Hans Benesch versucht mit seinen Collagen die eigentliche Bildaussage zu verstärken. Die Aussage ist ihm wichtig. Der Betrachter soll den Bildinhalt wahrnehmen. Was kommt beim Betrachter an; Benesch hinterfragt das und versucht durch Beobachtung heraus zu finden, wie der Betrachter reagiert, was er fühlt oder denkt.
Er soll sich aktiv mit dem Bildinhalt auseinandersetzen. Oft werden auch Spuren aus dem Alltäglichen in die Bildkomposition aufgenommen, um den Kontakt, die Kommunikation aufzubauen.
Schwerpunkt dieser Ausstellung sind die großformatigen Arbeiten aus dem Bereich der Malerei, die in den letzten Jahren entstanden sind. Auch in diesen Arbeiten ist das Thema wieder der Mensch in unserer schnelllebigen Gesellschaft; die Bedeutung der Dimension Zeit, die Vereinzelung und Vereinsamung der Menschen und beinahe schon
skurrile Lebensabläufe beschäftigen den Maler. Was auffällt, ist, dass Benesch im Gegensatz zu früheren Arbeiten sehr viel farbiger geworden ist; Farbe, Raum und immer wieder die Linie, eingeritzt oder mit dem Pinsel gemalt, lassen Bildlandschaften entstehen, die in die Tiefe gehen.
Ich möchte hier zunächst auf das Bild mit dem Titel "Lebenslauf", entstanden 2009, eingehen.

Sehr bewegt, ja chaotisch sind Linien und Farben auf die Leinwand gebracht worden, die im Bildzusammenhang betrachtet wieder eine Einheit bilden. Es erinnert, wie auch die anderen Bilder, an Graffiti und Kinderzeichnungen; an Wandkritzeleien, teilweise auch an Piktogramme. Expressiv werden Farben und Linien auf die Leinwand gebracht und spiegeln so die Energie des Entstehungsprozesses wieder, mit der der Künstler gearbeitet hat. Die sprudelnden Farben Blau und Orange dominieren das Bild. Im unteren Bereich verschwimmen die Farbkontraste. Dort herrschen Brauntöne vor und fließen in den Raum. Das Schwarz, das den Tod symbolisiert, schießt von unten in das Zentrum des Bildes; unerwartet manifestiert es sich und überdeckt das Unendlichkeitszeichen. Die Einsteinsche Formel E = mc2 veranschaulicht, dass Masse nichts anderes ist als Energie, lediglich in einer anderen Erscheinungsform. In vielen Bildern bei Benesch taucht die Spirale auf, wie wir sie im unteren Teil des Bildes sehen.
Die Spirale, vor allem die logarithmische Spirale, steht für das lebensaufbauende Prinzip, für die unendliche Entwicklung allen Lebens. Sie ist in ihren verschiedensten Variationen die Grundlage von Wachstum und Bewegung und in Natur und Kosmos wieder zu finden. Gerne arbeitet Benesch mit Symbolen und verstärkt so seine
Bildaussagen. Bei genauerem Betrachten erkennt man auf diesem Bild die unterschiedlichen Lebensbereiche, die fensterartig angeordnet sind. Und immer wieder tauchen Linien auf, die wie Lebenslinien diese Bereiche unerwartet durchkreuzen. Überhaupt sind diese Bilder eine Einheit von Malerei und Zeichnung. Die Linien sind teilweise mit dem Pinsel sanft aufgemalt oder in die noch nasse Farbe eingegraben. Der Farbauftrag ist teils pastos manchmal sogar direkt aus der Tube auf die Leinwand gebracht. Hier sieht man wie impulsiv der Künstler gearbeitet hat.
Die Bilder strahlen alle etwas Lebensfrohes, Lebensbejahendes aus. Dies ist eine neue Entwicklung des Künstlers:
„mit zunehmendem Alter nehme ich die Dinge nicht mehr so düster ernst; eine gewisse Gelassenheit ist da und das Wissen, dass alles im Fluss ist“, sagt er selbst.
Ein anderes Bild mit dem Titel „ Zeichen“

erinnert an eine archaische Höhlenzeichnung. Mit dem Pinsel gemalte Linien und Symbole sind aufgemalt oder direkt in die Farbe eingeritzt. Hier wird das Chaos, die Schnelllebigkeit unserer heutigen Zeit, aber auch das moderne Nomadentum thematisiert. Menschen ziehen von Stadt zu Stadt ohne eine örtliche oder familiäre Bindung, Lebensformen verändern sich. Der Mensch in unserer Gesellschaft wird zunehmend wurzelloser. Es fehlt an Orientierungspunkten; auch die Religionen haben in dieser Hinsicht versagt. Ein weiteres Bild mit dem Titel „Sichten“

zeigt, wie der Künstler mit der Reizüberflutung umgeht, die uns täglich auf den Straßen und über die Medien erreicht. Normalerweise trennen wir Wichtiges von Unwichtigem und Großes von Kleinem; viele Eindrücke nehmen wir auf, verarbeiten sie und speichern sie in unserem Gehirn ab. Ein bewusstes Innehalten und darüber reflektieren ist gar nicht mehr möglich.
Was Benesch schon in früheren Arbeiten so auch in dieser zeigt, ist die Separierung einzelner Betrachtungen, die so herausgestellt zu einem Bewusstmachungsprozess führt. Durch die Aufrasterung werden, wie in einem Film, einzelne Positionen zu einem Thema nebeneinander angeordnet. Es entsteht so, wie hier auf dem Bild, eine Abfolge von Einzelbildern, die in ihrer Gesamtheit eine ästhetische Komposition ergeben und die Tiefe des Themas
verdeutlichen. Hier wird die Farbe Blau vorgeführt. Was kann Blau, welche Chance hat das komplementäre Orange darin, wann tritt das Blau in den Hintergrund? Aber es verdeutlicht nicht nur das Verhältnis von Raum und Farbe; auch die künstlerische Einstellung wird hier sichtbar. Es gibt nicht nur eine Sichtweise der Dinge, sondern viele andere existieren gleichberechtigt nebeneinander. Und nur mit dieser Einstellung erfährt man die gesamte Dimension des Themas in seiner Vielschichtigkeit und Vielsichtigkeit.
In dem Bild mit dem Titel „Katze“
wird besonders deutlich, wie Benesch die Informationen, die auf ihn einwirken, verarbeitet. Zu sehen ist eine Katze am unteren Bildrand, ein schwarz aufgemaltes diagonales Raster deutet einen Zaun an, ein Auto auf einer schrägen Rampe symbolisiert ein Parkhaus; in gelben Lettern steht geschrieben „PARK“. Geschwindigkeit, aber auch Flüchtigkeit und lärmendes Getöse schwappt dem Betrachter aus dem Bild entgegen. Unaufhaltsam vermischen sich die Momentaufnahmen einzelner Sinneseindrücke zu einem Gemisch, das sich als unsere Weltsicht darstellt.

In allen Arbeiten, die wir hier sehen, wird eines deutlich: Alles geschieht gleichzeitig, in rasender Geschwindigkeit und überlagert sich, Informationen und Eindrücke treten miteinander in Beziehung, bekämpfen und verstärken sich. Alltägliches verliert sich in Bedeutungslosigkeit und es ist doch existent. Ein „Zurück“, wie in dem Bild mit gleichem Titel, gibt es nicht; alles um uns ist in ständiger Bewegung und andauerndem Stress. Es gibt kein Anhalten, kein Innehalten und kein Festhalten. Die Lebensspirale als Symbol ständiger Veränderung hält das Rad in Bewegung und wir müssen uns mit ihm bewegen. Gerade das macht mit der eigenen Sichtweise und Gelassenheit erst das bunte Leben aus, das sich in der Lebensfreude der Bilder zeigt. Der Künstler schafft es mit seiner Malerei eine Beziehung zwischen der Geschwindigkeit, dem Lärm und der Dimension Zeit herzustellen.
Was ist Zeit? Ist Zeit ein Maß für das Wachstum von Informationen oder für die Dynamik der Informationszunahme? Ein Zurück würde bedeuten die Zeit zu überlisten, aber auch den Verlust von bereits gesammelten Informationen.
Ich möchte an dieser Stelle ein Zitat von Antoni Tàpies, dem bekannten katalanischen Künstler einfügen:
„Lernen wir sehen, wie ein Konzertbesucher zuhört. Musik ist eine Ansammlung von klingenden Formen in einer bestimmten Zeit. Malerei ist eine Ansammlung von sichtbaren Formen in einem begrenzten Raum. Bei beiden handelt sich um ein Spiel.“
Für Tapies ist der spielerische Umgang, wie wir es als Kinder getan haben, wichtig, um den Verstand wachsen zu lassen, um neue Dinge zu sehen und neue Erkenntnisse zu erlangen. Alles das, was wir wahrnehmen in unserer Umwelt, verarbeiten wir auch in der einen oder anderen Form. Je mehr wir bewusst wahrnehmen umso mehr spüren wir unsere eigene Anwesenheit. Je länger wir die Bilder bei Hans Benesch anschauen, umso mehr erschließen sich uns
die Werte und Sichtweisen, die dahinter liegen. Fragestellungen und Bedeutungsinhalte laden zum Nachdenken ein oder fordern zum Gespräch auf. `Nichtwahrnehmung` gibt es nicht. Im Dialog zwischen Bild und Betrachter entsteht immer ein Raum für neue Sichtweisen und Denkansätze.
Diese Ausstellung läuft unter dem Titel "Spuren". Mit Spuren sind bei Hans Benesch Spuren seiner Wahrnehmungen und seiner Sehweisen zu verstehen, die uns in allen seinen Bildern begegnen. Es sind winzig kleine Ausschnitte aus dem großen Ganzen, die er festhält und uns in der Form seiner Collagen und seiner Malerei vermittelt. Spuren sind nie vollkommen; Spuren müssen verfolgt werden, um zum Ziel zu führen. Spuren deuten immer Wege an, die vielleicht ein kleines bisschen Wahrheit vermitteln, aber man kann sie auch verlieren. Liebe Gäste, ich habe in meinem kurzen Vortrag versucht, die Bildlandschaften von Hans Benesch Ihnen näher zubringen. Lassen Sie sich auf einen Dialog mit den Bildern ein. Nehmen Sie die Bildwelten mit allen Sinnen wahr und entdecken Sie für sich neue Sichtweisen. Hans Benesch, der Künstler, steht für Fragen und Diskussionen gerne zur Verfügung.
Ich darf Sie im Sinne von Antoni Tapies zum Spielen einladen, zum aufmerksamen Hinschauen, um die Bildwelten zu entdecken.
Lieber Hans, ich wünsche dir, dass diese Ausstellung ein Erfolg wird.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Klaus Grundmann Dipl.Des.M.F.A.
März 2011


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